Barrierefrei wohnen im Alter
Im Alter sehen sich viele Eigentümer mit körperlichen Einschränkungen und der Frage der Barrierefreiheit konfrontiert.
Begrifflichkeit Barrierefreiheit
Gemäß Paragraf 4 Behindertengleichstellungsgesetz ist Barrierefreiheit wie folgt definiert: “Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen und technische Gebrauchsgegenstände, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.”
Zu unterscheiden sind barrierefrei und behindertengerecht. So richtet sich der Begriff behindertengerecht an Personen mit Defiziten beim Gehen und der Begriff barrierefrei auch an ältere Menschen.
Aktuelle Situation und zukünftiger Bedarf
Das oberste Ziel aller Maßnahmen im Bereich barrierefreies Wohnen ist es zu gewährleisten, dass man sich, auch bei Defiziten im Bereich der Mobilität, frei und ohne Einschränkung bewegen kann.
Laut einer Studie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit entsprechen nur zwei Prozent aller Immobilien in Deutschland diesen Anforderungen.
Demnach wird – im Zuge des demografischen Wandels – im Jahre 2035 die Zahl der über 65 Jährigen bei knapp 30 Prozent liegen. Circa neun Prozent der Bevölkerung mindestens Achtzigjährig sein. Es besteht also ein enormes Defizit an geeigneten Wohnungen, welches in den nächsten Jahren aufgeholt werden muss.
Deutschland: Land der Normen
Wie auch in vielen anderen Bereichen regeln in Deutschland DIN Normen die richtige Umsetzung des barrierefreien Wohnens.
Die DIN-Norm 18040-1 regelt die Vorgaben für alle öffentlichen Gebäude, die DIN-Norm 18040-2 jene von privaten Räumlichkeiten. Jedes Bundesland hat in seinen Bauordnungen zudem genaue technische Einzelheiten.
Wie kann ein Umbau finanziert bzw. gefördert werden?
Fördermittel kann jeder vom Staat beantragen, der einen Umbau finanziert. Das Programm Altersgerecht Umbauen der KfW-Förderbank fördert derartige Bauprojekte. Interessenten können zwischen den beiden Alternativen zinsgünstiger Kredit oder Bezuschussung wählen. Der Kredit wird bis zu einer Summe von maximal 50.000 Euro gewährt. Der Zuschuss zur Baumaßnahme ist auf maximal 6.250 Euro pro Wohneinheit begrenzt. Vor Baubeginn muss jedoch die Förderung durch die eigene Hausbank beantragt werden. Zudem sind die Vorgaben der betreffenden DIN-Normen bindend, um eine Förderung zu erhalten.
Bundesländer, Städte und Gemeinden haben weitere Förderprogramme. Bei einer Pflegestufe, beteiligen sich auch die Pflegekassen an den Baumaßnahmen. Die Pflegekasse bezuschusst die Umbauten bis zu einem Betrag von 4.000 Euro. Ziel der Maßnahme ist die Verbesserung der aktuellen Lebenssituation des Versicherten. Ein weiterer Zuschuss von 4.000 Euro kann beantragt werden, falls sich dessen gesundheitlicher Zustand verschlechtert. Jedoch wird jede Förderung als Einzelfall separat bewilligt.
Umbaumaßnahmen bei Mietwohnungen
Gemäß Paragraf 554a, Absatz 1, Satz 1 BGB können Mieter von ihrem Vermieter die Zustimmung zu derartigen baulichen Maßnahmen einfordern, sofern ein berechtigtes Interesse besteht. Dieses liegt immer dann vor, wenn der Mieter selbst oder ein Mitglied der Familie mit körperlichen Einschränkungen zu kämpfen hat. Wichtig hierbei ist, dass die Zustimmung des Vermieters eingeholt werden muss. Das Interesse des Vermieters an der Beibehaltung des aktuellen Zustandes des Mietobjekts dieser Maßnahme kann dem Umbauvorhaben entgegenstehen.
Die Zustimmung des Vermieters ist jedoch nur bei Veränderungen, die in die Bausubstanz eingreifen notwendig. Auch ob Baugenehmigungen für derartige Maßnahme benötigt werden, sollte vorab geklärt werden. im Rahmen der Eigentümerversammlung sind Umbauten am Haus bei Mehrfamilienhäusern genehmigen zu lassen. Kleinere Veränderungen wie das Anbringen eines Notrufs, das Anbohren von zusätzlichen Haltegriffen oder die Montage eines elektrischen Türöffners bedürfen keinerlei Genehmigung.
Die Praxis haben Vermieter in der Regel wenig gegen Umbauten einzuwenden. Einerseits verbleibt der aktuelle Mieter so in der Wohnung und dem Vermieter bleibt die Mietersuche erspart. Zum anderen gewinnt die Wohnung an Attraktivität und Wert.
Barrierefreie Immobilie als oberstes Ziel
Eine barrierefreie Immobilie bedeutet für Familienmitglieder und Pflegekräfte eine Entlastung. Ein Plus an Lebensfreude und Zufriedenheit, durch wiedergewonnene Unabhängigkeit.
Im Folgenden erfahren Sie welche Maßnahmen getroffen werden können um als barrierefreie Immobilie zu gelten.
Zugangssituation
Bei starken Höhenunterschieden kann die Installation eines Hublifts –hilfreich sein, dieser ähnelt von der Funktionsweise her einem Fahrstuhl. Um Stufen zu überwinden können Rampen und Schienensystem eingebaut werden, fest installierte oder flexibel.
Räumlichkeiten der Immobilie
Viel Bewegungsfreiheit und Freiraum sollten Räumlichkeiten bieten und keine schmalen Gänge und Zimmer mit vielen Winkeln und Ecken, die die Bewegung erschweren. Im Einzelfall können Wanddurchbrüche in Erwägung gezogen werden. Um mehr Platz und Freiraum zu schaffen ist generell die Entfernung aller sperrig-überflüssigen Möbelstücke und Gegenstände, die nicht in Benutzung sind und nur Staub fangen, anzuraten.
Umbaumaßnahmen sollten an die aktuelle Situation des Betroffenen und die erwartete Entwicklung in Sachen Mobilität mit einbezogen werden.
Innenliegende Treppen
Beidseitige Treppengeländer ohne Unterbrechung und das Aufbringen von Anti-Rutsch-Beschichtungen auf die Stufen sind ideal. Der Einbau eines fest installierten Treppenlifts ist eine echte Alternative, dafür gibt es sogenannte Homelifte, also Steh- oder Sitzlifte für innen.
Badezimmer
Freifläche
Die DIN-Norm sieht bei einem Rollator eine Freifläche von 120 x 120 cm vor, bei einem Rollstuhl eine Bewegungsfläche von 150 x 150 cm. Je nachdem, ob die betreffende Person auf Hilfe bei der Körperpflege angewiesen ist oder die tägliche Hygiene alleine bewältigen kann, sollte zusätzlicher Platz eingeplant werden.
Dusche
Anzuraten ist eine ebenerdige Dusche mit den Maßen 90 x 90 cm oder 100 x 100 cm. Ein leichter Einstieg lädt zum Duschen, Anti-Rutsch-Bodenbelag oder Anti-Rutsch-Beschichtung bietet Halt. Das Gefühl der Sicherheit sollte durch fest an der Wand installierte Haltegriffe unterstützt werden. Hilfestellung bieten Duschhocker und Duschsitze. Durch eine Sitzfläche von 45 x 45 cm oder 50 x 50 cm wird ein stabiles Sitzen gewährleistet.
Badewanne
Badewannen können entweder mit einem Lift ausgestattet, zur Dusche umgebaut oder aber auch zur Sitzbadewanne umgerüstet werden. Bei dieser Variante hat die Wanne eine Tür und einen integrierten Badewannensitz und ist in etwa so groß wie eine Dusche. Armaturen können im Sitzen ohne Probleme bedient werden. Der Rand der Badewanne darf höchstens 15 cm breit sein. Auch hier sind Haltestangen und -griffe wichtig. Zu beachten ist, dass vertikale Haltestangen auf der Höhe 150 – 180 cm und horizontale Griffe 25 – 30 cm über dem Wannenrand angebracht werden sollten.
WC
Neben dem WC sind bei einem Rollstuhl 90 cm Platz ratsam. Außerdem sollte es höher als gewohnt angebracht werden, eine Sitzhöhe von 46 – 48 cm wird als angenehm empfunden. Je nach individueller Körpergröße kann dies Rollstuhlfahrern variieren. Grundsätzlich sind drehbare Stützklappgriffe auf beiden Seiten des WCs eine große Hilfe. Die Oberkante über dem Toilettensitz sollte 28 cm betragen. Klobürste und Abfalleimer sollten leicht zu greifen sein.
Waschbecken
Ein Waschbecken sollte auf der Höhe 80 – 85 cm angebracht werden jede Menge Ablagefläche bieten. Ein dazugehöriger Spiegel muss so befestigt sein, dass man vom Rollstuhl oder Hocker aus ohne Probleme das eigene Spiegelbild erkennt. Im Normalfall sollte sich dafür die Unterkante des Spiegels auf 95 cm und dessen Oberkante auf 180 cm befinden.
Zum Waschbecken sollten ebenfalls ergonomische Armaturen, mit der Möglichkeit, die Temperatur fix vorab einzustellen, gehören. Dabei lässt sich die passende Wassertemperatur mittels Mischen schneller finden, ohne sich zu verbrühen. Besonders geeignet auch für ältere Menschen sind Einhebel-Armaturen mit langem Hebelarm und schwenkbaren Auslauf.
Badezimmer-Möbel
Generell ist darauf zu achten, dass alle Möbel im Sitzen erreicht und bedient werden können. Schubladen sollten leichtgängig sein. Es hat sich bewährt, dass das Anbohren an der Wand auf der Höhe von 35 cm ideal ist
Beleuchtung und Farben
Um schwere Stürze zu vermeiden ist die Beleuchtung ein wichtiger Punkt. Besonders gut geeignet sind auch Bewegungsmelder, da sich das Licht so automatisch ein- und abschaltet. Haltegriffe und andere Hilfsmittel sollten sich farblich immer gut von der Umgebung absetzen.
Schlafzimmer
Befindet sich Bad und/oder Schlafzimmer Bad in den oberen Etagen der Immobilie, sollten Immobilienbesitzer darüber nachdenken, diese Räumlichkeiten ins Erdgeschoss zu verlegen. So können diese sich diesen beschwerlichen Weg mindestens zweimal am Tage ersparen.
Ein Bett, das sich elektrisch in unterschiedliche Positionen – Sitzposition, Beine zur Decke oder Oberkörper aufrichten – fahren lässt, ist bei eingeschränkter Beweglichkeit ein großer Gewinn. Auch bei Sofa und Sessel erleichtern hohe Sitzflächen den Gebrauch. Falls keine neuen Möbel angeschafft werden, stellt die Erhöhung der Beine durch einen Tischler eine Alternative dar: So fällt das Hinsetzen und Aufstehen um Längen leichter. In jedem Fall sollten alle Möbelstücke so stabil sein, dass bei Bedarf ein Abstützen darauf möglich ist.
Küche
Bei einem Umbau lohnen sich Oberschränke, die sich in der Höhe verstellen lassen. Diese sollten auch aus der sitzenden Position immer gut erreichbar sein. Dies gilt auch für die Arbeitsplatte, dabei zu beachten ist, dass man mit dem Rollstuhl leicht darunter fahren oder im Sitzen bequem die Arbeitsplatte erreichen kann. Schubladensysteme, auch für größere Küchenutensilien wie zum Beispiel Töpfe, sind praktischer als Schränke, da diese auch sitzend benutzt werden können.
Beim Einräumen der Küche sollte man sich praktisch überlegen, welche Gegenstände täglich gebraucht werden und diese strategisch sinnvoll platzieren. Zu guter Letzt muss auch im Kleinen, beim Besteck oder anderen Küchenhelfern auf bequeme Bedienbarkeit geachtet werden. Ergonomisch und leichtgängig lautet generell das Motto beim barrierefreien Leben.
Türen und Fenster
Auch hier sollte eine leichte Bedienung im Vordergrund stehen. Türen, die nach außen öffnen und Schiebetüren sind ideal. Eine andere Person kann die Zimmertür öffnen und Hilfe leisten falls es zu einem Sturz kommt, der Zugang zum Raum mit dem eigenen Körper versperrt wird kann so noch. Zudem sind Fenstergriff-Verlängerungen das perfekte Hilfsmittel, um sich beim Öffnen des Fensters nicht anstrengen zu müssen. Es gibt fest montierte, flexibel einsetzbare oder elektrische Verlängerungsstangen zur freien Auswahl.
Schwellen
Stellen in der Wohnung selbst eine beliebte Stolperfalle dar. Abhilfe schaffen Türschwellen-Rampen, die von jeweils einer Seite an die Schwelle gelegt werden und diese so überbrücken. Alternativ können Fußmatten angeklebt werden.
Zusätzlichen Freiraum bieten Verbreiterung von Türdurchgängen und dem Eliminieren von Schwellen zum Balkon oder der Terrasse.
Technische Errungenschaften
Um unnötige Gänge lassen sich so reduzieren lassen sich heutzutage sich Rollläden, Heizung und Licht per Knopfdruck bedienen. Auch eine Vernetzung zwischen Briefkasten bzw. Waschmaschine und Smartphone ist denkbar. Automatische Herdabschaltungen und Wasser-Stopp-Systeme bieten Sicherheit und Bequemlichkeit im Alter. Generell ist die Nutzung von Funktelefonen und Laptops mit WLAN ohne Kabel anzuraten.
Weitere Hilfsmittel
Gehstock, Rollator und Knöpf-Hilfe sollten dort gelagert werden, wo sie am meisten gebraucht werden. Durch geschicktes Platzieren können Zeit und Nerven gespart werden.
Zu guter Letzt gibt es neben der Möglichkeit, in seinen eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben und die Räumlichkeiten den neuen Anforderungen anzupassen, Alternativen für ein entspanntes Leben im Alter.
Alternative Lebensformen
Betreutes Wohnen
Senioren bleiben in Ihrer Wohnung und somit in ihrer gewohnten Umgebung. Dienstleistern bieten bei einigen Tätigkeiten Unterstützung von externen.
Senioren-WG
Ähnlich einer Studenten-WG leben auch hier zwei oder mehr Personen zusammen. Jeder hat ein eigenes Zimmer. Wohnzimmer, Bad und Küche werden gemeinschaftlich genutzt. Aktivitäten wie zusammen kochen oder Spiele spielen, bereichern den Alltag.
Seniorenheim
Dort leben meist Menschen mit akutem Pflegebedarf. Abgesehen von der Betreuung profitieren ältere Menschen von der starken Gemeinschaft. Es gibt unterschiedlichste Aktivitäten, die angeboten werden. Umliegende Grünanlage ermöglichen den Spaziergang in der Natur.
Fazit
Da die Bevölkerung zunehmend älter wird und die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren das Rentenalter erreichen, wird das Thema barrierefreies Wohnen in Zukunft an Bedeutung gewinnen
Bei zunehmender Einschränkung der Mobilität und Beweglichkeit gibt es genügend Möglichkeiten, die eigene Immobilie den persönlichen Anforderungen anzupassen. Die Vereine Wohnungsanpassung e.V. und Barrierefrei Leben e.V. stehen dabei zur Seite.
Alles in allem gilt es, das Leben weiterhin zu genießen und sich so angenehm wie möglich zu gestalten, ob nun mit oder ohne körperliche Einschränkung.